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Wahl in der Türkei: Wie Erdogan und Kılıçdaroğlu zu Bitcoin und Krypto stehen

Mit dem Unentschieden bei der türkischen Präsidentschaftswahl am Sonntag könnte die Ära Erdogan zu Ende gehen. Aber was hält sein möglicher Nachfolger Kemal Kılıçdaroğlu eigentlich von Bitcoin und Krypto? Wie unterscheidet er sich vom amtierenden Präsidenten? Es gibt wenige, aber vielsagende Aussagen.

In der Türkei wurde am Sonntag bekanntlich gewählt, und zum ersten Mal seit langem heißt der Wahlsieger nicht pauschal Recep Tayyip Erdogan, sondern wird Ende des Monats über eine Stichwahl zwischen ihm und dem Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu von der kemalistisch-sozialdemokratischen CHP entschieden.

Aber das wisst ihr ja schon. Was ihr vielleicht noch nicht wisst, ist, dass Bitcoin und Krypto eine kleine, aber doch eine Rolle gespielt haben. Die Stichwahl wird damit auch ein Stückchen zur Abstimmung über die Krypto-Zukunft der Türkei.

Die Präferenzen der beiden Kandidaten fallen wie erwartet aus: Erdogan streng, autoritär und mit wenig Rücksicht auf wirtschaftliche Belange, Kılıçdaroğlu liberal, weltoffen und ökonomisch geleitet. Zumindest kann man das aus den knappen Kommentaren der beiden schließen.

Am besten erst einmal verbieten

So sagte Erdogan im September 2021, dass die Regierung „im Krieg“ mit Kryptowährungen sei und „absolut keine Absicht hat, sie willkommen zu heißen.“ Man werde beim eigenen Geld bleiben. Die Türkei war zu diesem Zeitpunkt in einer Währungskrise.

Die Regierung Erdogan bewies diese ablehnende Haltung immer wieder. Schon 2016 hat sie den Zahlungsdienstleister PayPal verboten, weil dieser sich gesträubt hat, einen Server auf türkischem Boden zu betreiben. Dazu hat ein Gesetz kurz vorher sämtliche Internetdienstleister verpflichtet. Theoretisch kann das auch zum Problem internationale Krypto-Unternehmen werden.

Auf die „Kriegserklärung“ an Krypto folgte ein Politik, wie man sie aus anderen autoritären Ländern kennt, etwa China oder Russland: Es bleibt zwar erlaubt, in Kryptowährungen zu investieren, doch die Nutzung als Zahlungsmittel ist verboten. Darüber hinaus dürfen Zahlungsdienstleister – und vermutlich auch Banken – keine Geschäftsmodelle um Krypto entwickeln. Bitcoin und Co werden zu einem harmlosen Investment anstatt zu einem revolutionären Geld.

Der Betrieb von Kryptounternehmen bleibt derweil in einer rechtlichen Grauzone. Die Regierung hat zwar vor, die Geldwäsche- und Finanzregulierung auf Kryptowährungen auszudehnen, hat dies bislang aber noch nicht getan. Allerdings kamen abenteuerliche Pläne ans Licht, die verlangten, dass Kryptowährungen auf einer zentralen Treuhandplattform der Regierung verwahrt werden.

Insgesamt bleibt unsicher, was erlaubt ist und was nicht, was einerseits Maßnahmen gegen Geldwäsche erschwert – die FATF setzte die Türkei auf ihre graue Liste – und andererseits Unternehmen abschreckt, mit Kryptowährungen zu arbeiten.

“Das Ökosystem wird unser Stakeholder sein.”

Ganz andere Töne hört man von Kılıçdaroğlu. Er inszeniert sich als wirtschaftsnah und liberal. Vor kurzem traf er auf einer Reise durch die USA Manager und Direktoren von Zahlungsanbietern, der Weltbank und Internetunternehmen, und er redet in diesem Zusammenhang gerne von “Stakeholdern”. Vermutlich ist er der Wunschpräsident der Finanz- und Digitalbranche.

Während oder nach der Reise kommentierte er das PayPal-Verbot: „Junge Unternehmer in der Türkei erwirtschafteten dank Kanälen wie PayPal jedes Jahr erhebliche Einnahmen. Und was haben Sie gemacht? Sie haben es verboten.“ Die Türkei habe dadurch mindestens 10 Milliarden Dollar verloren. Daher, verkündete er, “werden wir, sobald wir an der Macht sind, das Verbot von PayPal aufheben und Web3-Plattformen ausbauen. Das Ökosystem der Unternehmer wird unser wichtigster Stakeholder sein. Wir werden das wirtschaftliche, wissenschaftliche und politische Interregnum in der Türkei beenden.“

Bemerkenswert ist hier, dass Kılıçdaroğlu im selben Atemzug mit PayPal von Web3-Plattformen redet – wohlgemerkt nach einem Treffen mit führenden Vertretern des Finanzwesens. Dies kommt aber nicht von ungefähr. Er hat sich schon vor zwei Jahren für Kryptowährungen eingesetzt.

Als die Regierung Erdogan 2021 Kryptowährungen als Zahlungsmittel verboten hat, fand der Oppositionsführer klare Worte: „Mit wem haben Sie ihre Entscheidung über Krypto abgesprochen, oh Führer?“. Dann fügte er hinzu: „Ich werde mich mit allen Betroffenen zusammensetzen.“ Etwas später, nach den Treffen mit Branchenvertretern, tweetete er: “Ich habe mich den ganzen Tag mit verschiedenen Stakeholdern getroffen. Blockchain und Krypto sind die einzigen Bereiche, in denen bei uns neue Unternehmungen im Wert von 1 Milliarde US-Dollar – Einhörner – entstehen. Sie treffen Startups der Finanztechnologie. Sie haben keine Toleranz gegenüber jungen Menschen. Nein nein Nein!”

Die Türkei braucht Krypto, um ein Einhorn-Startup hervorzubringen. Das sagt nicht der Vorsitzende des türkischen Blockchain-Verbandes – sondern Kemal Kılıçdaroğlu, der mögliche nächste Präsident des Landes.

Inflation treibt Krypto-Fieber

In der Türkei hat bzw. hatte Kılıçdaroğlu gute Aussichten, mit dieser Pro-Krypto-Haltung Stimmen zu gewinnen. Denn das Land leidet unter einer starken Inflation – die Lira verlor seit 2020 zwei Drittel ihres Werts in Euro, seit 2010 neun Zehntel – und Kryptowährungen erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit als Alternative. Einer Umfrage zufolge hielten nirgendwo so viele Menschen Kryptowährungen wie in der Türkei, während türkische Handelsplattformen von einer Explosion des Volumens ab 2020 berichteten.

Aus dieser Perspektive kann man Erdogans Krypto-Verbot auch als eine Art Selbstschutz verstehen. Bitcoin und Krypto waren in der Türkei das Rettungsboot, mit dem man sein Vermögen vor der Geldpolitik der Regierung rettete, die die Inflation verschärfte, weil sie es aus ideologischen, vielleicht auch religiösen Gründen ablehnte, die Zinsen zu erhöhen. Eine Hyperbitcoinisierung, eine Verdrängung der Lira durch Bitcoin – oder Dollar-Stablecoins – dürfte ein Horrorszenario der Regierung Erdogan gewesen sein.

Jedoch blieb das Verbot relativ lasch. Trotz der unklaren regulatorischen Situationen genießen Türken zahlreiche Möglichkeiten, Kryptowährungen zu kaufen. Vermutlich hat das Land mehr echte Bitcoin-Börsen als alle Länder des “Regulierungschampions” EU zusammen. Kılıçdaroğlus Prognose, dass eine Web3-Plattfrom die besten Chancen hat, zum türkischen Einhorn-Startup zu werden, ist so gesehen nicht ganz an den Haaren herbeigezogen.

   

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